Immer wenn ich aus Schweden zurückkomme, gibt es jemanden, der von mir wissen möchte, ob ich einen Elch gesehen habe. Meistens fragen mich Freunde oder Bekannte, die selbst noch nicht in Schweden gewesen sind. Ich vermute, dass sie eine klischeehafte Vorstellung davon haben, aus welchen Beweggründen Menschen nach Schweden reisen und dass einer darin liegen muss, (mindestens) einen Elch zu sehen. Aus ähnlichen Klischeevorstellungen heraus werden sicher auch Lapplandreisende nach ihrer Rückkehr gefragt, ob sie das Nordlicht gesehen haben. Dabei sind weder Elche noch Nordlichter in einer einzigen Region der Erde anzutreffen. Wer nach Schweden fährt, kann allerdings das Glück haben, beide Naturwunder bestaunen zu dürfen. Ganz gleich, ob er sich das vorgenommen hat oder nicht.
Was ich damit sagen will: Es gibt weder eine Garantie dafür, dass Du in Schweden Nordlichter siehst, noch dass Du einen Elch zu Gesicht bekommst. Freue Dich einfach, wenn es klappt! Mir ist auf meinen ersten Schwedenreisen kein einziges der Tiere über den Weg gelaufen. Und so musste ich die Eingangsfrage leider immer wieder verneinen. Rein rechnerisch stehen die Chancen für eine Elchsichtung eigentlich nicht schlecht. Das forstwissenschaftliche Institut „Skogforsk“ hat die Elchpopulation Schwedens im Sommer 2016 auf über 350.000 Tiere beziffert. Das heißt, dass auf jedem Quadratkilometer durchschnittlich ein Dreiviertel Elch lebte. Zum Vergleich: In ganz Russland, das ungefähr 38 Mal so groß ist wie Schweden, hielten sich damals schätzungsweise „nur“ 600.000 Elche auf.
In diesem Beitrag möchte ich darauf eingehen, woher die landläufige Faszination für diese Tiere kommt, wie Du sie in Schwedens Natur entdecken kannst und wo Du sie garantiert zu sehen bekommst, falls es mit meinen Tipps nicht geklappt hat.
Faszination Elch: Daten & Fakten
In Schweden nennt man den Elch auch „König des Waldes“ (auf Schwedisch: „skogens konung“), weil es kein größeres Säugetier weit und breit gibt. Rothirsche, Damhirsche, Rentiere, Luchse – sie alle sind kleiner. Und auch außerhalb des Waldes würde der Elch mit seiner Größe und seinem Gewicht alle Säugetiere übertreffen. Das gilt nicht nur für die schwedische Fauna, sondern sogar für die gesamte europäische Tierwelt. Damit Du eine Vorstellung von den Ausmaßen eines durchschnittlichen Elches hast, habe ich einige Eckdaten zusammengetragen:
- Körperlänge: bis 350 cm
- Schulterhöhe: bis 235 cm
- Geweihgewicht: bis 18 kg
- Gesamtgewicht: bis 800 kg
- Energiebedarf: 15 bis 35 kg Futter pro Tag
- Geschwindigkeit: über 50 km/h im Sprint, über 30 km/h langstreckig
Angesichts dieser Zahlen kann man sich kaum vorstellen, dass die europäischen Elche nur die kleineren Vertreter ihrer Gattung sind. Die in Nordamerika lebenden Elche sind größer und unterscheiden sich in ihrer Fellfarbe, in der Geweihform des Elchhirschs und im Aufbau ihres Gebisses.
Apropos beißen: Von Elchen geht nur in seltenen Fällen eine Gefahr für den Menschen aus. Beispielsweise können Elchkühe aggressiv werden, wenn sie den Eindruck haben, dass ihre Kälber bedroht werden. Allerdings beißen die Kühe dann nicht zu, sondern setzen ihre Körpermasse zur Gefahrenabwehr ein. So verteidigen sie sich recht erfolgreich gegen ihre einzigen natürlichen Feinde, nämlich Braunbären und Wölfe – wenn diese im Rudel auftreten. Die größte Gefahr für Elche geht von Menschen aus. Zum einen durch die Jagd, zum anderen durch die Forstwirtschaft, den Klimawandel und den Straßenverkehr. So ereignen sich in Schweden pro Jahr über fünftausend Unfälle mit Elchen. Das berühmte Warnschild, ein rotes Dreieck mit schwarzem Elch auf gelben Grund, beugt leider unzureichend vor. Im Falle eines Unfalls ist es geboten, die Rufnummer 112 zu wählen und den Vorfall zu melden. Falls der Elch die Unfallstelle verlassen hat, musst Du sie für die Jäger markieren. Dazu gibt es orangefarbige Wildunfall-Stäbe, welche deutsche Touristen verständlicherweise selten dabei haben. Ein Warndreieck aufzustellen, ist das mindeste, was Du deshalb tun kannst.
Die Elchjagd ist wie alle anderen Jagden in Schweden stark reglementiert. Jagdgesetz, Jagdordnung und die regionalen Verwaltungen in den schwedischen Provinzen („län“) geben die Rahmenbedingungen vor – darunter auch, welche Waffen zulässig sind und wie viele Tiere eine Jagdgemeinschaft erlegen darf. Für jedes erlegte Tier ist eine Abgabe zu entrichten. Die Jagdsaison beginnt in Nordschweden am ersten Montag im September und in den südlicheren Landesteilen am zweiten Montag im Oktober.
Elche in der schwedischen Natur erleben
Wie schon erwähnt, stehen die Chancen gut, in Schweden einem Elch zu begegnen. Denn die Tiere sind nicht nur zahlreich, sondern auch in allen Landesteilen heimisch – selbst im Stadtgebiet von Stockholm! Dennoch kann ein normaler Urlaubsaufenthalt von ein bis drei Wochen zu kurz sein, um zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. Deshalb habe ich einige Tipps für Dich zusammengetragen, wie Du die Chancen für eine Begegnung erhöhen kannst:
- Die richtigen Orte: Elche suchen ihren Lebensraum vor allem in Nadelwäldern. Wenn es dort ein offenes Moor mit niedrigen Bäumen gibt, sind sie am besten zu sehen. Sonst verstecken sie sich eher im Unterholz. Du solltest also selbst eine gute Aussicht auf Deine Umgebung haben, am besten blickst Du von einem Hochwald aus auf das Unterholz. Im Fjäll eignet sich die Zone oberhalb der Baumgrenze, um die niedrigen Fjällbirken weiter unten einsehen zu können. Weitere gute Stellen, um ihnen aufzulauern, findest Du an kleinen Seen, in denen Seerosen wachsen. Elche lieben es, ihre Wurzeln zu fressen und werden magisch von ihnen angezogen.
- Die richtigen Zeiträume: Während der Brunftzeit von September zu Oktober sind Elchhirsche am aktivsten und unvorsichtigsten. Für Elchkühe gilt das im Frühsommer, wenn sie sich von ihren Kälbern lossagen.
- Die richtigen Tageszeiten: Entweder am Morgen, im Zwielicht des Sonnenaufgangs, oder am Abend, während der Dämmerung. Zu diesen Tageszeiten sind Elche am aktivsten.
- Das richtige Wetter: Günstig für eine Elchsichtung ist heiteres, klares Wetter mit so wenig Wind wie möglich. Bei Regen und Sturm brauchst Du es also gar nicht versuchen!
- Das richtige Verhalten: Bewege Dich still und langsam durch den Wald – so wie Elche es tun. Gehe der Windrichtung entgegen, sodass die Tiere Dich nicht wittern können. Versuche Dich in sie hineinzuversetzen und überlege, welchen Weg sie wählen könnten. Dann halte Dich lieber abseits davon.
- Die richtige Kleidung: Farblich sollte sie zur Umgebung des Waldes passen. Außerdem ist es von Vorteil, wenn sie keine Geräusche verursacht.
Übrigens: Wenn Du eigene Tipps und Erfahrungen beitragen möchtest, kannst Du dazu die Kommentarfunktion unter dem Beitrag nutzen. Ich würde mich freuen!
Elchparks und ähnliche Einrichtungen in Schweden
Nachfolgend habe ich eine Übersicht mit den bekanntesten Elchparks zwischen Schonen und Lappland für Dich zusammengestellt. Sie sind anhand der Regionen von Süden nach Norden geordnet:
- Schonen: „Söderåsens Älgpark“ bei Kågeröd
- Blekinge: „Räntemåla Gård“ bei Eringsboda
- Småland: „Älgriket“ bei Tingsryd, „Smålandet“ bei Markaryd, „Elinge Älgpark“ bei Hamneda, „Glasrikets Älgpark“ bei Nybro, „Grönåsen Älg & Lantdjurspark“ bei Kosta, „Laganland Älgpark“ bei Lagan, „Målilla Älgpark“ bei Målilla, „Vrigstad Moose Park & Hagens Camping“ bei Vrigstad, „Virum Älgpark“ bei Vimmerby, „Skullaryd Älgpark“ bei Eksjö
- Västra Götaland: „Wrågården“ bei Falköping, „Moose af Anneröd“ bei Uddevalla und „Dalslands Moose Ranch“ bei Ed
- Södermanland: „Öster Malma Wildlife Park“ bei Nyköping
- Uppland: „Gårdsjö Älgpark“ bei Heby
- Värmland: „Värmlands Moose Park“ bei Ekshärad
- Dalarna: „Långshyttans Älgpark“ bei Långshyttan und „Älgstugan“ bei Särna
- Gävleborg: „Älgparken i Ockelbo“ bei Ockelbo
- Jämtland: „Moose Garden“ bei Orrviken am Storsjön
- Västerbotten: „Älgens Hus“ bei Bjurholm
- Norrbotten: „Cape Wild“ bei Luleå, „Arctic Moose farm“ bei Överkalix
In der Übersicht sind „echte Elchparks“ mit Einrichtungen vermischt, die nicht nur auf Elche spezialisiert sind und zum Teil auch andere Wild- oder Hoftiere für Besucher zugänglich machen. Ein Teil der Parks gehört der Vereinigung „Sveriges Älgparker“ an, die auf ihrer Website eine nützliche Übersichtskarte mit ihren Mitgliedsparks anbieten. Falls Du auf Deiner Reise nicht an einem der Parks vorbeikommen kannst, gibt es noch weitere Möglichkeiten, Elche aus der Nähe zu sehen: In vielen Regionen Schwedens gibt es mindestens eine Stadt mit einem Tierpark. Nicht selten zeigen diese auch nordische Wildtiere wie den Elch. Aus eigener Erfahrung kann ich Dir Stockholms Elchgehege im „Skansen“ sowie das Elchgehege im Tierpark „Kolmården“ bei Norrköping empfehlen.
Elchsafaris in Schweden
So wie es verschiedene Konzepte für Elchparks gibt, sind auch Elchsafaris je nach Anbieter verschieden. Deshalb solltest Du Dich im Vorfeld näher bei Ihnen informieren, damit Deine Erwartungen nicht enttäuscht werden. Man unterscheidet grundsätzlich zwischen Elchsafaris in der schwedischen Vildmark und Elchsafaris innerhalb von Gehegen. Erstere werden von einem Guide geführt, mit dem Du eventuell ein Stück unterwegs bist, bis es richtig losgeht. Zweitere sind zum Teil mit dem eigenen Fahrzeug durchführbar. Nachfolgend liste ich Dir einige Anbieter auf. Sie sind wieder anhand der Regionen von Süden nach Norden geordnet:
- Småland: „Smålandet“ bei Markaryd und „Habo Camping & Stugby“ bei Habo
- Västra Götaland/Örebro: „Naturguide Tiveden“ bei Laxå
- Örebro: „Nordic Discovery“ bei Kopparberg
- Västmanland: „WildSweden / Kolarbyn“ bei Skinnskatteberg
- Värmland: „Arvika Adventures“ bei Arvika und „Rawhides Guiding“ bei Sysslebäck
- Dalarna: „Explore Sälen“ bei Sälen
- Västerbotten: „Granö Beckasin“ bei Granö und „Svansele Vildmarkcenter“ bei Svansele
- Norrbotten: „Moosecamp Jutis“ bei Arjeplog und „Älgsafari i Sarek“ von „Jokkmokkguiderna“ aus Jokkmokk“
Hast Du Fragen rund um Elche in Schweden? Dann kann ich Dir vielleicht weiterhelfen. Schreibe mir gerne eine Nachricht im Kommentarfeld weiter unten.
Im Text steht, man soll bei der Elchbeobachtung seine Kleider farblich der Umgebung anpassen. Aber sind Elche nicht farbenblind?
Hej JH,
Sveriges lantbruksuniversitet (auf Deutsch: Schwedische Universität für Landwirtschaft) schreibt dazu auf Ihrer Website: „Elche und andere Klauenwildarten sind gut darin, Kontraste und Reflexionen zu erkennen.“ Die Geräusche, die Kleidung verursacht, nehmen sie aber besser wahr. „… ist die Kleidung gemustert, sollte es keine zu großen Kontraste zwischen einzelnen Bereichen geben. Einige Tests haben gezeigt, dass verschiedene Kombinationen von Rot und Orange besser zu sein scheinen als verschiedene grüne Kombinationen. Das Sehvermögen von Elchen gilt als nicht besonders gut – sie verlassen sich mehr auf den Geruchssinn und den Gehörsinn. Und sie sind nicht farbenblind, sondern nehmen Farben anders wahr als wir Menschen.“
Blau-gelbe Grüße – S.